Entdeckung: Horws ältestes Haus erzählt fast 500-jährige Geschichte
Das Doppelwohnhaus an der Kantonsstrasse 61/63 hat eine leicht erhöhte und zur Strasse hin etwas abgedrehte Lage. Von aussen besticht es durch das dunkle Holz und die grünen Fensterläden. Auf den ersten Blick nicht ersichtlich ist die lange Geschichte, die das Haus im Zentrum von Horw zu erzählen hat.
Das Haus gehört zu den ältesten noch erhaltenen Bauernhäusern im Kanton Luzern. Der Kernbau des heutigen Hauses wurde im Jahr 1556 errichtet – vor beinahe 500 Jahren. Das Haus war ursprünglich das Bauernhaus des sogenannten Zumhofs. Heute gehört der Hausteil Zumhof Eva Zihlmann. Sie hat das Haus von ihrem Vater übernommen, dem ehemaligen Horwer Gemeinderat Jakob Zihlmann. Im vergangenen Jahr begannen Renovationsarbeiten, die jetzt vor dem Abschluss stehen. Aufgrund verschiedener Funde und Untersuchungen während der Renovation wurde klar, dass es sich um das älteste Haus in Horw handelt. Und nicht nur das – das Haus ist eines der ältesten Bauernhäuser im Kanton Luzern.
Renovation fördert Zeichen der Vergangenheit zutage
Mit der aktuellen Renovation wurden wesentliche Teile des Kernbaus wieder sichtbar gemacht. Möglichst viel alte Substanz des Hauses wird bei der Renovation erhalten, einige Wände sind beispielsweise noch im Originalzustand.
Die Renovation brachte spannende Entdeckungen mit sich. In Schwundrissen in der ehemaligen Kammer im Erdgeschoss klemmte beispielsweise etwa ein Dutzend menschliche, von Erwachsenen stammende Zähne. Das lässt sich mit einem alten Volksglauben erklären: Menschliche Zähne in der Zimmerwand sollen gegen böse Geister und Feinde schützen.
In verschiedenen Räumen kamen bei der Renovation zudem alte Tapeten zum Vorschein. Oft wurden mehrere Tapeten übereinandergeklebt. Und auch ein alter, an den Faltstellen etwas brüchiger Brief steckte in einem Wandloch. Beim Schreiben aus dem «Jänner 1829» handelt es sich um eine Vorladung vor den Friedensrichter, der «Löplichen Pollizey Commision der Stadt Luzern». Ein weiterer Fund, ebenfalls unter Tapetenschichten versteckt, sind die Statuten des Ruswiler Vereins aus dem Jahr 1843. Das lässt vermuten, dass hier politisch aktive Leute wohnten: Der 1840 gegründete Ruswiler Verein gilt als der Vorläufer der heutigen CVP.
Die Renovation des Hausteils Zumhof, die im Jahr 2020 begonnen hat, wird im Sommer abgeschlossen sein. Das Haus an der Kantonsstrasse 61 hat dann einen weiteren Wandel hinter sich, bleibt im Kern aber weiterhin erhalten und wird wohl noch einige weitere Etappen der Horwer Geschichte miterleben. Immerhin gehört das Haus gemäss Bauinventar des Kantons zu den erhaltenswerten Bauten – und bleibt fester Bestandteil des Horwer Zentrums.
Eine kurze Reise durch die Zeit
Die Geschichte des Zumhofs beginnt im 16. Jahrhundert. Damals war Horw noch kein Dorf im heutigen Sinn. Die ganze Talebene war zu sumpfig, um bebaut zu werden. Einige nicht zusammenhängende Siedlungen befanden sich am See, einige auf der Halbinsel. Der «alte» Zumhof war ein grosser Hof, der das ganze Gebiet zwischen Pfarrkirche, Kirchfeld und Stirnrüti sowie eine Mühle unterhalb der Strasse umfasste. Es handelte sich um ein Erblehen des Stiftes St. Leodegar im Hof zu Luzern.
Zwischen 1524 und 1559 wurde der «alte» Zumhof nach und nach aufgeteilt in die sogenannten Mühlegüter. Einem davon im südöstlichen Teil des ursprünglichen Hofes blieb der Name Zumhof erhalten. Im Jahr 1556 kaufte Peter Achermann für 1400 Gulden genau dieses Land und baute darauf das heute noch bestehende Gebäude. Die Lage und auch die Grösse machten den Zumhof bis ins 20. Jahrhundert zu einem bedeutenden, das Dorf prägenden Bauernbetrieb.
Im 17. Jahrhundert wurde der Zumhof nochmals aufgeteilt. Dabei wurde nicht nur das Land, sondern auch das Haus mittig entlang des Dachfirsts geteilt. Dadurch ergaben sich zwei getrennte Bauernhöfe mit einem geteilten Haus, das bis heute die beiden Flurnamen Zumhof und Obmüli trägt. Grund für die mehrmalige Teilung des Hofes war einerseits das stetige Bevölkerungswachstum, welches nach der Pest und anderen Seuchen ab dem 15. Jahrhundert begann. Zudem wurden mit der Umstellung auf eine flexiblere, stärker auf Milch- und Fleischproduktion spezialisierte Bewirtschaftungsform flächenmässig kleinere Höfe ökonomisch sinnvoller.
Im Verlauf des 17. Jahrhunderts und auch im 19. Jahrhundert wurden einige bauliche Veränderungen am Kernbau vorgenommen. Ab 1920 wurden die beiden zugehörigen Bauernhöfe schliesslich parzelliert. Innert 30 Jahren entstand dort das heutige Quartier «Oberdorf». Der alte Flurname lebt weiter in den Strassenbezeichnungen «Zumhofstrasse» und «Zumhofweg».
Schreiber Kaufmann». (Foto: Georg Sidler, Schwyz)